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Versöhnte Beziehungen

Während ich in meiner Kindheit so erzogen wurde, dass man Fehler zugibt und den anderen um Vergebung bittet, wird das hier in Italien oft ganz anders gelebt. Ich weiss von etlichen Familien, die mir erzählen, dass es das bei ihnen nicht gibt. Da bittet keiner um Vergebung nach einem Fehlverhalten.

Wie sieht biblische Reue aus?
Während ich damit aufgewachsen bin, dass ein falsches Verhalten korrigiert wurde, aber ich als Person immer noch o.k. bin, wird das hier oft anders empfunden. Man fühlt sich selbst als falsch und hat dann Mühe, dem anderen unter die Augen zu treten. Es kommt vor, dass sich jemand aus Scham zurückzieht und sich auch in der Gemeinde nicht mehr blicken lässt. Ist das nun eine «richtige Reue» wenn das Wort «Entschuldigung» gar nicht fällt? Ich meine schon, denn solche Versöhnungen dürfen durch einen anderen kulturellen Filter nicht ver­hindert werden. 

Die Freude, wieder Freunde zu sein
Es ist eine grosse Aufgabe für uns als Gemeinde, Versöhnung mit Gott und mit den Mitmenschen zu lehren, aber auch konkrete Möglichkeiten zu zeigen, wie das geschehen kann, ohne das Gesicht zu verlieren. Dem einen hilft das juristische Bild, das z.B. im Römerbrief beschrieben wird, Schuld, Sühne, Freispruch und die Vergebung zu verstehen. Viele erfassen es jedoch besser mit Hilfe des Bildes der wiederhergestellten Beziehung. Gottes Ehre wird durch die Sünde verletzt und das Ziel ist, diese verbrochene Beziehung wiederherzustellen. So wie bei der Geschichte mit dem verlorenen Sohn. Die Herzensgemeinschaft mit Gott wird wiederhergestellt und auch die Beziehung zum Mitmenschen kann wieder heil werden. 

Beziehungen feiern und Mauern einreissen
Ich denke da an einen Bruder, der in einer Glaubenskrise Anrufe verweigerte und auch andere Kontakte abgewehrt hat. Das führte zu grosser Scham. Nun heisst es, ihm die Möglichkeit zu geben, wieder in die Gemeinschaft zurückzukehren, ihm zu zeigen, dass er weiterhin geschätzt wird. Wir konnten ihm zeigen, dass seine Ehre wiederhergestellt wurde und die Freude war gross, als wir uns wieder umarmen konnten. Da ist auch die Glaubensschwester, die bewusst eine ungute Entscheidung fällte. Ihr Impuls danach war, aus der Mitarbeit der Gemeinde auszusteigen und sich per WhatsApp zu verabschieden. Wir haben uns dann mit ihr geeinigt, die Gemeinde zu informieren, wenn sie nicht da ist, um ihr die Möglichkeit zu geben, später wieder zurückzukehren, ohne dass die Schande zu gross sein wird. 

Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende, wir wollen im Gebet diese Schwester begleiten und erwarten, dass auch in ihrem Leben Vergebung und Rechtfertigung Heilung bringt. 

Der Kern des Evangeliums ist die Versöhnung, eine wiederhergestellte Beziehung zu Gott und den Mitmenschen. Wir wollen einander auf diesem Weg begleiten und sehen, wie Gott wirkt. Manchmal gibt es Tränen und auch schlaflose Nächte, um kulturell passende Wege zu finden. Dafür sind wir hier, dafür beten wir und darauf arbeiten wir hin – das Wunder der Versöhnung vollbringt Gott immer wieder.
 

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